Mittelfränkische Krankenhäuser wehren sich gegen Strafzahlungen

Seit Januar müssen Krankenhäuser Strafen zahlen, wenn sie Patienten nicht schnell genug entlassen. Mittelfränkische Kliniken sehen ihre soziale Verantwortung bestraft - und fordern eine Rücknahme des Gesetzes.

Gegen geplante Strafzahlungen für Krankenhäuser gehen mittelfränkische Kliniken auf die Barrikaden. Mit einer großangelegten Anzeigenschaltung in der Metropolregion Nürnberg machen sie ihrem Unmut Luft.
Hintergrund ist das vom deutschen Bundestag im Dezember 2019 beschlossene Reformgesetz für den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK). Das Gesetz sieht u.a. vor, dass Krankenhäuser, die nach MDK-Meinung Patienten länger als notwendig stationär behandeln, nicht nur eine Rechnungskürzung hinnehmen müssen sondern zukünftig auch Strafe zahlen sollen – mindestens 300 Euro pro Fall.  
Die Krankenhäuser sind über diese Regelung entsetzt und empört, denn der Grund für eine verlängerte Liegedauer ist in den meisten Fällen die fehlende Anschlussversorgung: der Patient kann nicht entlassen werden, weil ein Seniorenheim ihn am Wochenende wegen Personalmangel nicht zurücknimmt, kein freier Platz in einer Reha-Maßnahme frei ist oder Angehörige die Versorgung zu Hause nicht gewährleisten können.
Man muss sich bei solchen Gesetzen fragen, inwieweit damit durch die politischen Entscheidungsträger nicht auch der oftmals von diesen selbst bemängelten Verrohung im gesellschaftlichen Umgang Vorschub geleistet wird, wenn soziales Engagement und verantwortliches Handeln in der Daseinsvorsorge als unwirtschaftliches Handeln diffamiert und bestraft werden.

Ein Beispiel:

Ein 89-jähriger Patient wurde vom Rettungsdienst aufgrund seiner zunehmenden Verwirrtheit und Schwäche in die Klinik gebracht. Diagnostiziert und behandelt wurden eine komplizierte Harnwegsinfektion und akutes Nierenversagen. Wegen des schlechten Allgemeinzustandes wurde der Patient für eine geriatrische Rehabilitation vorgesehen. Dort war zunächst kein Platz frei, der Patient kam auf die Warteliste. Der MDK hat zwar die korrekte medizinische Behandlung bestätigt, wegen der Wartezeit aber fünf Tage in der Verweildauer gestrichen. Die Rechnung wur-de um 1.206 € gekürzt sowie eine Strafzahlung verhängt.

Für diese Fälle, in denen Krankenhäuser soziale Verantwortung über-nehmen und die Patienten nicht auf die Straße setzen und sich selbst überlassen, wurde im Gesetz eine Strafzahlung von mindestens 300 Euro pro Fall zusätzlich zur Rechnungskürzung eingeführt.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) erwartet, dass durch die neue Regelung im MDK-Gesetz den Krankenhäusern allein im laufen-den Jahr ca. 380 Millionen Euro weggekürzt werden. Zudem sind noch weitere Abschläge vorgesehen, wenn die Vorgaben der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung nicht erfüllt oder nicht wie vorgeschrieben do-kumentiert und gemeldet werden.
Das führe zur weiteren wirtschaftlichen Schwächung von Krankenhäu-sern, sind sich die Klinikvorstände einig. Letztlich wird so die Versorgungssicherheit der Patientinnen und Patienten gefährdet.
Das obengenannte Beispiel steht stellvertretend für eine Fülle von Fällen bundesweit und zeigt, dass den Krankenhäusern nicht nur die Bezah-lung für die erbrachte Leistung verweigert wird, sondern sie jetzt auch noch zusätzlich „bestraft“ werden. Die Argumentation, eine solche Regelung würde einen Anreiz zur regelkonformen Rechnungsstellung geben, unterstellt Krankenhäusern, dass sie bewusst falsch abrechnen und lässt den Verdacht von Betrug im Raum stehen.
Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kliniken ist das Gesetzesvorhaben damit mehr als nur ein Zeichen mangelnder Wertschätzung für ihre alltägliche Arbeit, deren Bedeutung aktuell angesichts einer drohenden Virusepidemie mehr als deutlich ist.

Wie perfide die Systematik der Strafzahlungen ist, kann man sich eindrücklich am Beispiel der Coronavirus-Infektion vor Augen führen: Ein infizierter Patient wird von den Gesundheitsbehörden in die Krankenhäuser eingewiesen und dort isoliert. Jedoch liegt eine Fehlbelegung mit Strafzahlung und Rechnungsminderung vor, wenn der Patient nicht so stark erkrankt ist und keine massive Lungenentzündung entwickelt, da nur dies die medizinisch stationäre Behandlung begründet.

Das Gesetz kann im März noch angepasst werden. Dazu fordern die beteiligten Kliniken den Gesetzgeber in ihrer Anzeigenschaltung auf und hoffen auf Unterstützung durch die Bevölkerung.

Folgende Kliniken beteiligen sich an der Aktion:

ANregiomed Klinikum Ansbach
ANregiomed Klinik Dinkelsbühl
ANregiomed Klinik Rothenburg
Bezirkskliniken Mittelfranken
Diakoneo Cnopfsche Kinderklinik Nürnberg
Diakoneo Klinik Hallerwiese Nürnberg
Diakoneo Klinik Neuendettelsau
Diakoneo Rangauklinik Ansbach
Diakoneo Klinik Schwabach
Internistische Klinik Dr. Steger Nürnberg
Kliniken des Landkreises Neustadt a. d. Aisch - Bad Windsheim
Kliniken Dr. Erler gGmbH, Nürnberg
Klinikum Fürth
Klinikum Nürnberg
Krankenhäuser Nürnberger Land GmbH
Kreisklinik Roth
Kreiskrankenhaus St. Anna Höchstadt a. d. Aisch
Maximilians-Augenklinik gemeinnützige GmbH
St. Theresien-Krankenhaus Nürnberg gGmbH