Durchs Schlüsselloch an die Bandscheibe


Vor dem Sommerurlaub die Koffer verladen, den Getränkekasten ins Auto hieven oder beim Umzug noch schnell mit angepackt – autsch! Ein Bandscheibenvorfall. Seit März 2022 operieren unsere Spezialisten der Klinik für Konservative und Operative Wirbelsäulentherapie Bandscheibenvorfälle auch vollendoskopisch minimal-invasiv. Dieses besonders schonende Verfahren kommt mit Mini-Schnitten aus und wird oft als Schlüsselloch-Chirurgie bezeichnet. Voraussetzung sind modernste Instrumente und ein OPTeam mit viel Erfahrung.

Interview

Wie funktioniert eine vollendoskopische Bandscheibenoperation?

Bei dieser Operationsmethode wird über einen etwa 8 mm großen Einschnitt (dem „Schlüsselloch“) ein Endoskop zum Vorfall eingeführt. Dadurch erhalten wir ein hochauflösendes 4KLive-Bild des OP-Gebiets und können über den Arbeitskanal verschiedene Instrumente wie Stanzen, Scheren und Rongeure benutzen. Der Zugang zur Bandscheibe ist über verschiedene Wege möglich – wir wählen ihn je nach der Lokalisation des Bandscheibenvorfalls und den anatomischen Gegebenheiten des Patienten aus.

Die vorgefallene Bandscheibe wird mithilfe einer kleinen Zange aus der Wirbelsäule entfernt und über den Arbeitskanal herausgeführt. Im Vergleich zu diesem Vorgehen erfordern andere minimal-invasive Verfahren wie die mikrochirurgische Bandscheibenoperation mit einem OPMikroskop einen rund 2-3 cm langen Einschnitt.

Gibt es Bandscheibenvorfälle, für die sich das endoskopische Verfahren nicht eignet?

Das endoskopische Verfahren ist für den Operateur sehr aufwändig. Deshalb können nur besonders erfahrene und geschulte Chirurgen die Technik sicher durchführen. Um dies zu gewährleisten, haben wir uns in der Erler-Klinik auf vollendoskopische Bandscheiben-OPs der Lendenwirbelsäule spezialisiert.

Allerdings ist nicht jeder Bandscheibenvorfall in der endoskopischen Operation wirklich zugänglich. Trotz der verschiedenen Zugangswege muss ein begonnener endoskopischer Eingriff manchmal in ein offenes Verfahren konvertiert, also als mikrochirurgische, offene OP weitergeführt werden. Dies kann bei einem endoskopisch schwer zugänglichen oder bei einem älteren, verkalkten Bandscheibenvorfall vorkommen

Welche Vorteile bietet eine vollendoskopische OP?

Die Rückenschmerzen, die der Bandscheibenvorfall verursacht hat, lassen sich oft direkt durch die OP beheben, und die Rückenmuskulatur bleibt dennoch intakt. Da wir deutlich weniger Gewebe verletzen, erholen sich unsere Patienten nach der endoskopischen OP-Methode deutlich schneller. Der kurze Hautschnitt verheilt rasch und hinterlässt nur eine kleine, unauffällige Narbe. Verwachsungen beziehungsweise Vernarbungen im Spinalkanal sind nur in seltenen Fällen zu erwarten. Unsere Patienten können oft direkt postoperativ nach Abklingen der Narkose wieder aufstehen und verbringen in der Regel höchstens zwei Nächte stationär

"Unsere bisherigen OP-Ergebnisse mit der vollendoskopischen Bandscheibenoperation überzeugen uns davon, dass es sich dabei nicht nur um eine sehr elegante Operationstechnik handelt – unsere Patienten kehren auch deutlich schneller ins Berufsleben und zu ihren gewohnten Freizeitaktivitäten zurück."

MU Dr. Daniel Ilczyszyn, Oberarzt der Klinik für Konservative und Operative Wirbelsäulentherapie

Pro und kontra der vollendoskopischen Bandscheibenoperation

PRO

  • Durch den kleinen Einschnitt bildet sich weniger Narbengewebe
  • Das endoskopische Verfahren ist sehr schonend für das Gewebe im Spinalkanal (Rückenmarkhaut mit Nervenwurzeln) als auch für die Weichteile außerhalb des Spinalkanals (Muskeln und Bänder)
  • Geringeres Risiko einer postoperativen Blutung, Infektion oder Wundheilungsstörung
  • Der stationäre Aufenthalt ist mit zwei Tagen deutlich kürzer - die Patienten sind schneller wieder fit

KONTRA

  • Der Bandscheibenvorfall sollte relativ frisch sein (in der Regel nicht älter als etwa drei Monate seit Beschwerdeanfang) - danach kann das ausgetretene Gewebe verhärtet sein. In solchen Fällen kann die endoskopische Technik deutlich erschwert und mit einer höheren Komplikationsrate verbunden sein
  • Nicht geeignete Technik bei begleitenden, fortgeschrittenen degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule
  • Nicht jeder Bandscheibenvorfall lässt sich endoskopisch operieren, in manchen Fällen ist der schmale Zugangsweg für die Spezialinstrumente eher hinderlich

Was passiert bei einem Bandscheibenvorfall?

Bei einem Bandscheibenvorfall reißt der äußere Faserring der Bandscheibe. Dadurch gelangt der Gallertkern in den Wirbelkanal und kann auf einen Nerv drücken. Die klassischen Ischias-Schmerzen, die ins Bein ausstrahlen, bedeuten jedoch nicht zwingend eine Operation. Der Grund: Das ausgetretene Bandscheibengewebe wird vom Körper als Fremdmaterial empfunden und löst eine Entzündungsreaktion aus. Immunzellen werden angelockt. Sie sind in der Lage, den Bandscheibenvorfall allmählich aufzulösen. Deshalb reicht in vielen Fällen ein konservatives Vorgehen – zum Beispiel mit Schmerz- und Bewegungstherapie – zunächst aus. Falls eine OP unumgänglich ist, sind die Patienten froh, wenn diese möglichst schonend und risikoarm erfolgen kann.